Grabsteine

Rund 200 Grabsteine sind bis heute auf dem Friedhof in Osternburg vorhanden. Die genaue Anzahl der Grabstellen dagegen lässt sich derzeit noch nicht abschließend beurteilen, da noch nicht genau feststeht, welche Personen hier bestattet wurden, für die keine Grabsteine aufgestellt wurden, oder deren Grabsteine nicht mehr vorhanden sind.

Nach bisherigen Erkenntnissen fehlen z. B. heute für folgende Personen Grabsteine:
# Friederike Kugelmann geb. Hattendorf aus Wardenburg, gestorben 1903
# Kind Recha Kugelmann aus Wardenburg, gestorben 1911
# Arthur Rachum, ohne nähere Angaben; Soldat, gestorben 1916
# Sander Scheer („russischer Zivilgefangener“), gestorben 1918
# Kind Max de Levie, gestorben 1918
# Johanne Hattendorf, gestorben 1920
# Ella Dreyer (geb. Wiesenfeld), gestorben 1949
# Wolfgang Heimann, gestorben 1972.

Die Größe der Grabsteine sind in Oldenburg meist einheitlich. Lediglich einige besondere Grabstellen, zum Beispiel der Familie Trommer, der Stifterfamilie der Trauerhalle auf dem Friedhof, sowie der Familie Schiff aus Elsfleth stechen hierbei hervor. Grabstellen von „ehrenhaften“ Gemeindemitgliedern befinden sich in der Regel an hervorgehobenen Plätzen; so in Oldenburg am Hauptweg rechts und links im vorderen Eingangsbereich. Nach den jüdischen Religionsgesetzen (Halacha) werden Grabsteine üblicherweise erst nach der sogenannten Jahrzeit gesetzt; einem Jahr nach dem Sterbedatum.

Ausgehend von der Dokumentation von Töllner u.a. im Jahr 1979/80 und eigenen Nachforschungen befinden sich nur an wenigen Grabsteinen jüdische Symbolik. So finden wir den Schild Davids („Magen David“) an zwöf Grabsteinen, die Kanne (oft mit flacher Schüssel dargestellt) verweist auf eine levitische Herkunft (Helfer der Kohanim) ist in Oldenburg nur ein Mal dargestellt (Grabstein Rabbiner de Haas). Keine Verwendung in Oldenburg haben z. B. segnende Hände (Zugehörigkeit zur Priesterschaft (Kohanim)) gefunden. Ebenso wenig finden sich Darstellungen von Leuchtern (Menora), dem Widderhorn (Schofar) oder dem Beschneidungsmesser (Mohel). Auf dem aufwändig gestalteten Familiengrabstein der Eheleute Schiff aus Elsfleth ist ein Engel dargestellt – zumindest dies ist nach jüdischer Lesart wegen des Darstellungsverbotes (2. Buch Mose 20,4) – ungewöhnlich. Die auch von christlichen Friedhöfen bekannte Symbolik wie eine abgeknickte Rose (Symbol eines plötzlichen Todes in jungen Jahren) findet sich hier auf zwei Grabsteinen, ebenfalls die Darstellung von abgebrochenen Säulen (Mazzewa). Geschlossene Kränze als Zeichen des Kreislaufes des Lebens oder als Zeichen der Ehre oder des Ruhmes finden sich in Oldenburg an drei Grabsteinen.

Ein gesondertes Gräberfeld für Kinder, wie andernorts üblich, gibt es in Oldenburg nicht. Die Anzahl der bekannten Kindergräber liegt bei ca. 25.

Sieben Grabsteine weisen eine Besonderheit auf: Sie tragen eine gravierte bzw. gemalte Nummerierung. Die Zählung beginnt mit der Nummer 15 (Sophie Schwabe), gefolgt von den Nummern 19 (Ida Schwabe), 22 (Betty Reyersbach), 23 (Pauline Reyersbach), 35 (Joseph Baruch Goldschmidt), 72 (Breunchen Heymann) und 78 (F. Weinberg). Sie befinden sich alle an Grabsteinen im hinteren rechten, alten Teil des Friedhofes und markieren die Gräber von Verstorbenen aus den Jahren zwischen 1827 bis 1892. Eine Systematik der Vergabe dieser Nummern ist bisher nicht zu erkennen.

Die auf 57 Grabsteinen angegebene „kleine Zählung“ der Jahresangaben („L. F. K.“) ergibt sich aus der Tatsache, dass der jüdische Kalender als Berechnungsgrundlage die biblische Geschichte zugrunde legt, ohne die Jahrtausende mit anzugeben. Demnach bezeichnet z. B. die Angabe „677 L.F.K.“ auf dem Grabstein von Emilie Cohn ihr Todesjahr 1917.

Die älteren Grabstellen des jüdischen Friedhofs weisen mehrheitlich Sandstein-Stelen auf (ca. 130 Stück), alle ohne Grabumfassung oder Sockelfundamente. Die Verwendung von Sandsteinen nimmt zum Ende der 1890er Jahre deutlich ab. Ab hier beginnt die Phase des Einsatzes von dunklen Magmatiten (insbesondere Granit, ca. 100 Steine). In nur geringer Anzahl kommen ab Ende des 19. Jahrhunderts Grabsteine aus Kunst-, oder Kalkstein und Marmor vor.

Aus überregionalen Publikationen ist bekannt, dass vorwiegend ärmere Gemeinde-mitglieder manchmal nur eine hölzerne Tafel zur Kennzeichnung der Grabstelle erhielten, da die jüdische Gemeinde die notwendigen Kosten zu tragen hatte. Ob und inwieweit dies in Oldenburg üblich war, ist jedoch noch nicht bekannt. Lediglich eine hölzerne Markierung einer Grabstelle ist in einer Dokumentation (Töllner 1983) dokumentiert. Dies zumindest hatte aber keinen finanziellen Grund. Hier hatten die Angehörigen des Verstorbenen eine Errichtung eines Grabsteines nicht gewünscht. Es hat wohl auch vor dem II. Weltkrieg gesonderte Nummernschilder als Grabmarkierungen gegeben. Sie wurden bei Friedhofsschändungen in der NS-Zeit entfernt.

In der Mehrzahl wurden in Oldenburg deutschsprachige Texte verwendetet; rund 50 Grabsteine sind zweisprachig beschriftet, in deutscher und hebräischer Sprache. Lediglich ca. 20 Grabsteine sind ausschließlich in hebräischer Sprache beschriftet. Insgesamt weisen die vorhandenen Grabsteine überwiegend knappe und schlichte Beschriftung ohne weitergehende Informationen auf. Die durchaus in einigen Städten auffindbaren üppigen Beschreibungen des Lebens der Bestatteten sind in Oldenburg nur selten zu finden. Ausnahme bilden hier beispielsweise die Grabsteine der zwei Landesrabbiner Dr. Mannheimer und de Haas.

Der Grabstein für Philipp de Haas mit ausgeprägter Eulogie.

Es gab auch Musterbücher, die Beispiele für Inschriften von Grabsteinen lieferten. Ob solche Mustertexte für Grabsteine in Oldenburg verwendet wurden, ist derzeit noch nicht untersucht. Auch sind maschinell gefertigte Grabsteine auf Friedhöfen bekannt. Auch hier gibt es derzeit keine Erkenntnisse zur Verwendung in Oldenburg.

Im Laufe der Zeit assimilierten sich die Juden zunehmend; dies zeigt sich auch an den vorhandenen Grabsteinen. Während Grabsteine des frühen 19. Jahrhunderts vielfach rein hebräische Inschriften hatten, änderte sich dies im Laufe der Zeit. Die Inschriften wurden zunächst zweisprachig, dann vielfach nur deutschsprachig. Die erste rein deutsche Inschrift wurde in Oldenburg im Jahre 1827 für Sophie Schwabe verfasst.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde folgendes durch den Landesgemeinderat festgelegt:

„Auf jedem Grabsteine müssen mindestens die beiden vorgeschriebenen hebräischen Buchstaben oben [hebr. P.N.] (hier ruhet) sowie die fünf hebräischen Buchstaben unten [hebr. T.N.Z.B.H.] (Abkürzung des Satzes: Möge die Seele aufgenommen sein in den Bund des ewigen Lebens.) angebracht sein. Jeder Entwurf einer Grabinschrift muss in allen Synagogengemeinden vorher dem Vorsteher der betr. Gemeinde zur Genehmigung vorgelegt werden.“

Leo Trepp schreibt später über diese Entscheidung:

„Auch die Glaubensjuden waren lässig geworden. So musste der Landesgemeinderat im Jahre 1915 verordnen, daß auf einem jüdischen Grabstein mindestens oben die hebräischen Buchstaben: (P.N.) (hier ruhet) anzubringen seien und unten die fünf Buchstaben (T.N.Z.B.H.) in Abkürzung des Satzes: Möge die Seele aufgenommen sein in den Bund des ewigen Lebens. Man war also schon weit dem Judentum entfremdet.“

In der vom Landesgemeinderat herausgegebenen „Gesetzsammlung betreffend die Juden im Herzogtum Oldenburg“ findet sich im Jahr 1918 ein leicht geänderter, durch einen Satz ergänzter Text: „Bei Unterlassen obiger Vorschrift kann auf Kosten der Beteiligten vorgeschriebene Aenderung vorgenommen werden.“

Töllner übersetzt die Abkürzung P.N. mit „hier ist begraben“ (hebräisch = po nikbar) oder „hier ist verborgen“ (hebräisch = po nitman). T.N.Z.B.H. wird mit „seine (ihre) Seele sei eingebunden ins Gebinde des Lebens“ (hebräisch = thehi nischmatho (nafscho) zrura bizror hachajim!) übersetzt.

Anfang September 1943 übersandte der Vorsitzende des Oldenburger Landesvereins für Geschichte und Heimatkunde ein Schreiben des Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschlands zur weiteren Bearbeitung an das Oldenburgische Ministerium der Kirchen und Schulen „als Denkmalschutzbehörde“. Er bittet darin das Ministerium „um weitere Veranlassung, zumal Angelegenheiten des Denkmalschutzes dadurch berührt werden.“

Auslöser dieses Schreibens war augenscheinlich ein standardisiertes Formblatt des Reichsinstituts an die Gemeinden, Archive oder Orts- und Landesgeschichtlichen Vereine, in dem das Berliner Institut (oder seine angegliederte „Forschungsabteilung Judenfrage“ aus München) darum bat, jüdische Grabsteine, die vor 1860 (Einführung der Personenstandsbücher) errichtet wurden, fotografisch zu erfassen und ggf. hebräische Texte darauf übersetzen zu lassen. Das Institut führte seit Sommer 1942 bis wenigstens Oktober 1944 diese „Aktion zur Erfassung und geschichtlichen Auswertung der jüdischen Friedhöfe im gesamten Reichsgebiet“ durch. Noch im November 1944 wurde in einem Rechenschaftsbericht festgestellt, dass „die genealogische Erfassung der Judenfriedhöfe durch weitere Sicherstellung des Inschriftenmaterials der Grabsteine fortgesetzt“ werde. In nur wenigen Städten im Deutschen Reich folgte man aber offensichtlich der Aufforderung des Reichsinstituts. Auch die Historische Gesellschaft in Bremen erhielt im Dezember 1943 wegen solcher Aufnahmen ein Schreiben des Instituts. Hier fand man jedoch nicht sofort Unterstützung für die Dokumentationsarbeiten auf den Friedhöfen in Bremen und Delmenhorst, wie in der Geschichte des jüdischen Friedhofes in Bremen darlegt wird. Wie in Bremen und Delmenhorst scheint es auch in Oldenburger Land nicht zur Erstellung von Fotografien oder Übersetzungen der hebräischen Inschriften gekommen zu sein; zumindest liegen keine entsprechenden Aktenstücke hierzu vor.

Ein im Jahr 1952 erstellter Übersichtsplan des Friedhofes enthält keine konkrete Grabstellenbezeichnung, sondern lediglich eine Zählung von Steinen, die in den sechs bezeichneten Feldern vorhanden waren. Die Skizze des Jüdischen Friedhofes mit Angabe der Gräber auf den einzelnen Feldern zählt insgesamt 231 Grabstellen. Hiervon werden 156 Grabstellen mit Steinen bzw. „gute Steine“ angegeben, 72 Grabstellen ohne Steine und 3 mit Steinen ohne Namensschilder.

Im Jahr 1962 wurden umfangreiche Instandsetzungsmaßnahmen an den Grabsteinen durchgeführt. Dabei wurde für das Richten und Befestigen von 126 Grabmälern eine Summe von rund 1.300 DM aufgewendet, die durch das Niedersächsische Ministerum des Innern bezahlt wurden.

Aus den in den Jahren 1979 und 1980 durch Marco Arthur Douma erstellten, vom Reichsarchiv Groningen zur Verfügung gestellten Fotografien, entstand eine umfangreiche Sammlung. Sie enthält sowohl die Bilder der Grabsteine, deren hebräischen Texte und eine deutsche Übersetzung. Letztere erfolgte durch Pastor Johannes-Fritz Töllner. Seine Bemühungen werden in folgender Rezension positiv erwähnt, da „ihre hebräischen Grabinschriften mit viel Einfühlungsvermögen an Sprache und Religion der Juden übersetzt“ wurden. Dokumentiert wurden dabei alle jüd. Friedhöfe im alten Oldenburger Land.

„Hervorzuheben ist das Bemühen Töllners, die eigentümlichen Elemente des Hebräischen in seinen Übersetzungen zum Tragen kommen zu lassen: So hat er etwa bewußt die uns geläufigen Wochentagsbezeichnungen vermieden, d. h. statt Sonntag oder Montag usw. werden wir in den aufgelösten Daten die „sehr rationalen Namen des hebräischen Wortlauts“, z. B. „1. Tag“ bzw. „2. Tag“ usw. finden, und er hat beispielsweise die besonders gern verwendeten Kürzel für Ehrentitel, gute Wünsche usw. in den Transkriptionen nachgebildet. Letztere können mit einem gesonderten „Register“, das außerdem zahlreiche „Erklärungen einzelner Ausdrücke“ bietet, erschlossen werden.“

Die Bestandsaufnahme ist nach wie vor wertvoll, um Zustandsveränderungen der Grabsteine zu vergleichen. So können Veränderungen der Steine durch Verwitterung, Steinbruch oder mutwillige Beschädigung deutlich gemacht werden, wie am Grabstein von Alfred Weinberg aufgezeigt werden kann.

Der Grabstein für Alfred Weinberg im Jahr 1979/80 (links) und 2010 (rechts) im Vergleich.

In den Jahren 1999 bis 2000 wurden weitere umfangreiche Erhaltungs- und denkmal-pflegerische Arbeiten zur Sicherung und Instandsetzung an den vorhandenen Grabsteinen durchgeführt.

Eine Untersuchung der Zustände der Steine wurde im November 1997 und April 1999 vorgenommen. Hieran beteiligt war die, bereits mit der Steinrestaurierung auf dem jüdischen Friedhof in Hannover-Stangriede beauftragte Steinrestaurierungsfirma Schmalstieg GmbH, das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege sowie der Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen. Ein damaliger Zustandsbericht listet alle vorhandenen Grabsteine auf, vermerkt Größen und Zustand sowie geplante Behandlungsverfahren zur Steinerhaltung. Leider sind hierbei nur die Steine vermessen worden, die tatsächlich zur Restaurierung vorgesehen waren, auch ist nicht überall ein Name zu einem Grabstein verzeichnet. Bei den nur hebräisch beschrifteten Grabsteinen fehlt eine Zuordnungsmöglichkeit.

Der erstellte Lageplan teilt den Friedhof in sechs Felder und verzeichnet die ungefähre Lage der Grabsteine in Feldern, Reihen und mit laufender Nummerierung, sodass eine spätere Zuordnung, oder ein möglicher Vergleich mit den Fotos von Töllner möglich erscheint. Hilfreich hierfür dürfte auch die durch die Steinrestaurierungsfirma erstellte Fotodokumentation mit Übersichtsaufnahmen sowie Aufnahmen vor und nach der Fertigstellung der Arbeiten an den Grabsteinen sein. Bei der durchgeführten Bestands-aufnahme sind insgesamt 231 Grabsteine dokumentiert worden.

Die Kosten der Durchführung der Arbeiten beliefen sich auf über 150.000,- EUR. Sie wurden zu Teilen durch den Landesverband und zu Teilen aus Mitteln des Denkmalschutzes des Landes Niedersachsen getragen. Die OLB-Stiftung der Oldenburgischen Landesbank AG beteiligte sich ebenfalls, mit einer Spende.

Die durch den Landesverband getragenen Kosten bezogen sich hierbei auf die sogenannten Erhaltungsmaßnahmen. Hierzu zählten u. a. Maßnahmen, die der unmittelbaren Erhaltung und zur Wiederherstellung der äußeren Form mit dem Zweck einer einwandfreien Wasserableitung der Steine dienten. Auch die Aufstellung am alten Platz sowie ggf. die Einbringung eines neuen Fundamentes gehörte zur Erhaltung. Im Gegensatz dazu gehörten zur Denkmalpflege (Kostenübernahme durch das Land Niedersachsen) die Wiederherstellung geschädigter Oberflächen aus ästhetischen Gründen und der vorbeugende Schutz des Objektes z. B. die Verfestigung, Hydrophobierung oder Maßnahmen zum Schutz der Oberfläche.